Eltern-Trans

Für Eltern von trans Kindern (d.h. von jungen Menschen, deren bei der Geburt eingetragenes Geschlecht von ihrer →geschlechtlichen Selbstwahrnehmung abweicht)

Liebe Eltern,

Dieser Teil unserer Webseite ist Ihnen gewidmet. Schön, dass Sie hier sind.

Jedes Kind ist einzigartig und jedes →trans Kind ebenso. So unterschiedlich die Kinder sind, so sind es auch die Erwachsenen.

Für jeden Menschen gibt es Gründe, durch die er so ist, wie er ist, und das nehmen wir erstmal – ohne zu werten – so an. Trotz individueller Unterschiede lassen sich bei Eltern von trans Kindern grob drei allgemeine Umgangsweisen erkennen, wie sich Eltern in einer für sie meist neuen Situation verhalten. Dabei können Elternteile in einer Familie in gleicher oder aber in unterschiedlicher Weise mit ihrem Kind umgehen. Gerade bei unterschiedlichem Vorgehen kann es zu innerfamiliären Spannungen führen.

Anerkennen, bestätigen

Vielleicht fühlen Sie sich am ehesten zu dieser Gruppe von Eltern zurghörig. Dann scheinen Sie achtsam im Bindungsverhältnis mit Ihrem Kind zu sein. Sie nehmen es an, so wie es ist, nehmen es ernst in seiner →geschlechtlichen Selbstwahrnehmung und geben ihm Raum und Zeit, zu sein, wie es selbst fühlt, dass es für Ihr Kind stimmig ist.

Abwarten

Auch als abwartende Eltern sind Sie nicht allein. Es gibt verschiedene Gründe, warum Eltern einer Selbstaussage ihres Kindes erst einmal skeptisch gegenüberstehen und Zeit benötigen, um diese Selbstaussage ernst zu nehmen, sie von Expert_innen überprüfen lassen zu wollen, oder deren Beständigkeit anzweifeln und erst mal „abwarten“ möchten, ob das Kind über einen längeren Zeitraum hinweg bei dieser Selbstaussage zu einem empfundenen Geschlecht bleibt.

Hierbei möchten wir etwas vorgreifen und anmerken, dass Ihre Gründe für das Abwarten menschlich sind, und abwartendes Verhalten der Eltern oft aus Sorge und Ängsten um die Zukunft des Kindes entsteht. Auch Unwissenheit und Verunsicherung können hierbei eine Rolle spielen, z.B. hinsichtich möglicher Konsequenzen für das spätere Leben sind. ABER: Es handelt sich eben genau um dies: Ihre Sorgen und Ihre Ängste – nicht die Ihres Kindes. Falls Sie merken, dass Sie sich in diesen Gedanken wieder finden, stellen Sie sich bitte folgenden Fragen:

– Wie geht es meinem Kind gerade?
– Wie fühlt es sich im Moment?
– Ist es zufrieden oder unglücklich?
– Wie ist momentan die schulische Situation?
– Wie steht die Situation mit Gleichaltrigen/seinen Peers?
– Hat mein Kind feste, bereichernde Freundschaften?
– Gibt es etwas in dem Verhalten Ihres Kindes, das Sie sehr erstaunt oder irritiert?

Obwohl ein Abwarten durchaus verständlich erscheint, kann diese Umgangsweise zu einer teils erheblichen Erhöhung des Leidensdrucks Ihres Kindes führen. Es stellt sich zudem die Frage, wie lange Sie abwarten wollen? Haben Sie sich ein Zeitlimit gesetzt? Und auf was genau warten Sie eigentlich?

Die „Diagnose“ trans gibt es nicht. Kein Bluttest oder psychiatrischer Bericht wird Ihnen Auskunft über die geschlechtliche Selbstwahrnehmung Ihres Kindes geben können. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt empirisch nicht nachweisbar, ob und wie trans eine Person ist, d.h. wie in welchem Ausmaß das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht von der geschlechtlichen Sebstwahrnehmung eines Menschen abweicht. Aber Sie haben die Selbstaussage Ihres Kindes. Und wie Ihr Kind tief in seinem Inneren empfindet, können Sie nur herausfinden, wenn es dies mit Ihnen teilt. Und das ist meist eine Frage des Vertrauens Ihres Kindes in Sie.

Bitte rufen Sie sich ebenfalls ins Bewusstsein, dass „nichts tun“ und „abwarten“ auch eine Entscheidung mit Folgen ist. Nur, weil Sie das Bedürfnis haben abzuwarten, bedeutet nicht, dass in dieser Zeit nichts mit und in Ihrem Kind passiert. Prozesse werden trotzdem weiterlaufen. Ihr Kind wird sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Es geht dabei nicht um eine Lappalie, sondern um sein gesamtes Sein. Dies kann zu (möglicherweise weiterer) Distanz zwischen Ihrem Kind und Ihnen führen und Ihr Bindungsverhältnis negativ beeinflussen.

Noch einmal zurück zu Ihren möglichen Sorgen und Ängsten:

Sorgen Sie sich um die Zukunft Ihres Kindes?

Willkommen im Elternboot 😊 Diese Sorge haben Sie gratis bei der Ankunft Ihres Kindes in Ihrem Leben dazu erhalten und wie wir von vielen Freunden und Bekannten mit bereits erwachsenen Kindern vernehmen können, werden wir diese Sorge auch nicht wirklich wieder los.

Beim Thema trans bzw. →Transgeschlechtlichkeit kommen verständlicherweise spezifischere Sorgen hinzu, z.B.:

– Wird die geschlechtliche Selbstwahrnehmung meines/unseres Kindes als Mädchen bzw. Junge anerkannt, wertgeschätzt und respektiert werden (, auch wenn die Papiere nicht geändern sind)?
– Wird unser Umfeld durch Unwissen auf die Existenz von einer geschlechtlichen Selbstwahrnehmung mit Verwirrung, Unverständnis und Irritation auf das Sein meines/unseres Kindes reagieren?
– Wird mein/unser Kind dadurch vermehrt →Diskriminierung und →Mobbing/→Bullying ausgesetzt sein?
– Wie werden ggf. die Geschwister damit klarkommen?
– Wie wird mein/unser Kind mit geschlechtergetrennten Räumen zurechtkommen?
– Welche Lösungsmöglichkeiten wird es für mein/unser Kind bei den geschlechtergetrennten Räumen geben?
– Wie sieht es später mit Kinderwunsch aus? Wird mein/unser Kind, -falls es sich dazu entscheiden sollte-, durch geschlechtsangleichende Maßnahmen steril? Oder bereits, wenn die Pubertät unterdrückt wird?
– Was, wenn es die „falsche Entscheidung“ war und mein/unser Kind später doch wieder als „Mädchen“ bzw. „Junge“, wie bei der Geburt in die Geburtsurkunde eingetragen, leben möchte?

Antworten wird Ihnen die Zeit liefern und die Selbstaussagen Ihres Kindes. Nutzen Sie diese, um achtsam im Kontakt mit ihm zu bleiben und offen in seine und Ihre Zukunft zu blicken.

Ablehnen

Manchmal ist es schwer loszulassen von dem Gewohnten, von dem Bild und der Idee, die Sie sich über Jahre von und über Ihr Kind gemacht haben. Das Thema trans fühlt sich für Sie möglicherweise fremd und sehr fern an und Sie können noch nicht so wirklich etwas mit der vermeintlich neuen Wirklichkeit Ihres Kindes anfangen. Dafür kann es Gründe geben, die sich meist in Ihrer Lebensbiografie wiederfinden lassen. Ideen, Bilder und Ansichten kann man gehen lassen, auch wenn dieses ein ungewöhnlicher und schmerzhafter Prozess sein kann. Ihr Kind in seinem Sein und in seiner Persönlichkeitsentwicklung einzuschränken, kann Folgen haben, die noch viel schmerzhafter für alle Betroffenen sein können und eine Eltern-Kind-Beziehung hochgradig belasten können. Weitere Folgen können darin bestehen, dass die Schulleistungen Ihres Kindes nachlassen, Ihr Kind die Schule meidet, sich immer mehr zurückzieht und negative gesundliche Konsequenzen eintreten.

Gerne stehen wir Ihnen unterstützend zur Seite, damit Sie und Ihr Kind auch weiterhin gemeinsam Ihrer Zukunft entgegen gehen können. Wenn Sie möchten, können Sie unsere monatlich im Familljen-Center stattfindende Elterngruppe besuchen. Die Termine finden Sie unter →Elterngruppe. Weitere Beratungsmöglichkeiten finden Sie unter →hier.

„Du wusstest von Anfang an, welchen Weg Du gehen willst. Und obwohl ich in die andere Richtung schaute, hast Du mich mitgenommen, so hartnäckig, so mutig.“

Josephin an ihre 7-jährige Tochter Nori in dem Dokumentarfilm Mädchenseele von Anne Scheschonk.