Binäre und abinäre transKinder und interKinder, Jugendliche und Erwachsene und ihre Positionierung in der Gesellschaft
Binäre und →abinäre →trans Personen und →inter Personen sind Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht den medizinischen und gesellschaftlichen Vorstellungen von weiblich oder männlich entspricht. Per se bilden eine keine Untergruppe von queeren Personen, es sei denn, sie ordnen sich selbst aktiv dazu.
Im Unterschied z.B. zu Homosexuellen, steht bei trans, inter und abinären Personen jedoch nicht die sexuelle Orientierung im Vordergrund, sondern die körperlichen Geschlechtsmerkmale oder die →geschlechtliche Selbstwahrnehmung (oft auch als Geschlechtsempfinden oder -identität bezeichnet), d.h. um die Frage, ob sich eine Person selbst als männlich, weiblich oder abinär (beides, wechselnd, weder noch oder noch anders) betrachtet. Die sexuelle Orientierung ist davon sogar absolut unabhängig und wie auch beim Rest der Gesellschaft gibt es auch bei trans, inter und abinären Personen Heterosexualität, Homosexualität und alle anderen sexuellen Orientierungen. Insbesondere bei Kindern spielt die sexuelle Orientierung keine nennenswerte Rolle.
Binäre und abinäre transKinder, interKinder, Jugendliche und Erwachsene sind in unserer Gesellschaft ein relativ neu wahrgenommenes Phänomen, das erst seit wenigen Jahrzehnten in der Öffentlichkeit präsent ist. Das ist nicht verwunderlich, denn bis vor wenigen Jahrzehnten hatten Menschen, die sich als trans zu erkennen gaben oder als inter bekannt waren, mit erheblichen unangenehmen Konsequenzen zu rechnen. Sie wurden gemobbt, beschimpft, vor allem aber wurden sie kollektiv nicht ernst genommen und stetig der Lächerlichkeit preisgegeben. Heutzutage ist das nicht mehr so dramatisch, selbst wenn diese Personengruppen immer noch Ausgrenzung, Mobbing, usw. erleiden. Damit wagen immer mehr binäre wie auch abinäre trans und inter Menschen den Weg in die Öffentlichkeit, wodurch der Eindruck entsteht, die Anzahl dieser Personen würde zunehmen. Höchstwahrscheinlich ist das nicht der Fall, es gibt keinen nachvollziehbaren Grund für eine solche Zunahme. Hingegen ist anzunehmen, dass sich die Anzahl dieser Personen im Laufe der Zeit nie nennenswert verändert hat, sie jedoch verstärkt zu ihrer anderen →geschlechtlichen Selbstwahrnehmung und →Geschlechtsidentität bzw. zu ihren Geschlechtsmerkmalen stehen und das auch in der Öffentlichkeit kommunizieren. Dadurch scheint es so, als ob die Anzahl binärer und abinärer trans Personen und inter Personen derzeit zunimmt.
Bei →inter Personen liegt eine →Variation der Geschlechtsmerkmale vor. Das ist ein körperlicher Aspekt und damit für alle offensichtlich. Bei inter Personen wird das „inter Sein“ somit auch nie angezweifelt, es gibt eigentlich keine Skeptiker_innen, die behaupten, es gäbe keine inter Personen bzw. keine interKinder. Das heißt jedoch nicht, dass inter Personen in allen gesellschaftlichen Kreisen akzeptiert sind, es gibt nach wie vor (meist subtile) Diskriminierungen und insbesondere Operationen in einem nicht-einwilligungsfähigen Alter. Hinsichtlich der Diskriminierung steigt zwar in jüngster Zeit das gesellschaftliche Bewusstsein, dennoch ist es noch ein weiter Weg bis in ein diskriminierungsfreies Leben.
Früher wurde jungen Eltern von einem interKind dringend geraten, sich gleich nach der Geburt des Kindes für ein Geschlecht zu entscheiden und die Körpermerkmale operativ zeitnah dementsprechend anzupassen. Heute ist das eher unüblich (es ist nämlich eine blöde Idee, niemand weiß schließlich, welche →Geschlechtsidentität das Kind später mal entwickeln wird.).
Bei →trans Personen liegt das „trans Sein“eher im Geistigen/Seelischen und ist damit leider nicht so unumstritten offensichtlich. Es ist ein Ergebnis dessen, dass es nicht nur die beiden Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ gibt, sondern auch viele Zwischenstufen. Trans kann als eine Zwischenstufe davon betrachtet werden. Eine Person ist trans, wenn ihre körperlichen Merkmale nicht dem gefühlten Geschlecht entsprechen. Nicht alle Menschen und Gruppierungen unserer Gesellschaft akzeptieren das. Manche Leute glauben, dass das trans Sein – vor allem von Kindern – eine Ausflucht und Begründung ist, um irgendwelche vorübergehenden Schnapsideen vom Leben im anderen Geschlecht durchsetzen zu können. Es gibt starke Gründe, davon auszugehen, dass trans keine Ausflucht oder Flause ist. Diese Gründe liegen vor allem in der Natur des menschlichen Geschlechts, auf das wir an anderer Stelle ausführlich eingehen.
Die Betrachtungsweise auf binäre und abinäre transKinder / interKinder, Jugendliche und Erwachsene ist in unserer Gesellschaft recht umstritten. Während ein Großteil der Bevölkerung Toleranz übt und Gleichberechtigung anstrebt, gibt es nach wie vor Personengruppen, die trans (und oft auch sämtliche queer) Personen als krankhaft darstellen. Um dafür eine Argumentation zu haben, wird der Begriff von →Geschlecht anders, einfacher, definiert. Wenn man nur zwei Geschlechtsformen zulässt, also nur rein männlich und nur rein weiblich zulässt, sind natürlich alle Zwischenformen unpassend. Allerdings müsste man dafür tatsächlich alle existierenden Zwischenformen zwischen „männlich“ und „weiblich“ verleugnen.
Der Kampf um die Stellung von trans, inter, abinären und anderen queeren Personen ist also auch ein Kampf um die Deutungshoheit der Begriffe, vor allem um den Begriff „Geschlecht“, aus dem sich dann alle weiteren Betrachtungsweisen ergeben.
Geschlechtliche Abinarität, auf dieser Website oft kurz als Abinarität bezeichnet, basiert auf einem Geschlechterkonzept, dass Menschen und ihren Lebenserfahrungen außerhalb binärer Geschlechternormen sichtbar macht. Für dieses Konzept gibt inzwischen eine Vielzahl von Begriffen und Definitionen.
Diese, teils extrem unterschiedlichen, Betrachtungsweisen der diversen Gruppierungen im Internet führen verständlicher Weise dazu, dass „Neulinge“ in Sachen trans, inter & abinär irritiert und verunsichert sind, wie mit diesen Menschen umgegangen werden soll.
Wir möchten Eltern, Erziehungsberechtigten, Pädagog_innen und sonstigen Interessierten helfen, sich in diesem Chaos von Begriffen, Definitionen und Konzepten etwas zurechtzufinden. Wir finden weder, dass Kinder generell z.B. zum trans Sein ermutigt werden sollten, noch dass sie generell von abzuhalten wären. Jedes Kind ist anders, jede Situation ist anders. Das einzige, was man generell sagen kann, ist, dass wie mit einem Transkind oder Interkind umzugehen wäre.
Ein paar Zahlen zu Geschlechtervielfalt:
Es gibt noch keine großen und wirklich aussagekräftigen Statistiken zum Thema trans. Daher möchten wir ausdrücklich betonen, dass die nachfolgenden Zahlen keinen wissenschaftlichen Halt haben und hauptsächlich nur aus unserem Erfahrungsschatz stammen.
– Der Anteil von trans Personen in der Bevölkerung liegt möglicherweise im Bereich von 0,6%-3,3%.
– Der Anteil von intergeschlechtlichen Personen in der Bevölkerung liegt vermutlich im Bereich von 1,7%.
– Der Zeitpunkt, in welchem trans Personen ihr trans Sein ihrer Familie bzw. ihrem Umfeld erstmal offenbaren, ist extrem unterschiedlich, d.h. beginnend mit einem frühen Alter (von vielleicht 3-5 Jahren) bis hin zum mittleren Erwachsenenalter ist in jeder Altersklasse von Personen ein Coming-out möglich.
– Der Anteil der Retransitionen scheint im Bereich von 1% zu liegen. D.h von allen Personen, die sich als trans offenbaren (Kinder und Jugendliche, die nur für wenige Wochen im „anderen“ Geschlecht leben wollen, bezeichnen wir noch nicht als trans. Die machen nur eine vorübergehende Phase durch) wechseln nur ca. 1% in ihr ehemaliges Geschlecht zurück (das ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde). Speziell diese Zahl ist in den Medien sehr umstritten, teilweise ist von 10% oder 50% die Rede, was aber ziemlich sicher falsch ist.