Änderung des Rubriknamen in: Transition & Coming-out
Transition
„Eine Transition durchführen“ ist eine verwendete Formulierung, die im häufig im schulischen Kontext zu hören ist. Dabei erscheint es bedeutsam, sich den Sinn des Begriffes zu vergegenwärtigen, da dieser vorschnell und oftmals unüberlegt auf alle trans Kinder angewendet wird. Bei einer →Transition handelt sich um Ereignisse, die für Betroffene und ihre Umgebung bedeutsame Veränderungen mit sich bringen und um „verdichtete Entwicklungsanforderungen“. D.h. bei bei Eintritt in einen Transitionsprozess strömt in einem gedrängten Zeitrahmen viel Neues ein, auf das reagiert werden muss, und zwar mit intensiven und beschleunigten Lernprozessen. Dieser Prozess geht mit Risiken und Chancen einer, da Anforderungen und Krisen zu Überforderungen führen können. Sie können aber auch Entwicklungsimpulse geben, d.h. als Auslöser für Entwicklungsprozesse wirken, wenn sie im günstigsten Falle als Herausforderung erlebt werden. Unter verdichteten Entwicklungsanforderungen werden Stärken und Schwächen der im Prozess befindlichen Akteur_innen erkennbar, aber auch, dass eine gute Vorbereitung und eine gute Begleitung in diesem Prozess entscheidend zur Bewältigung beitragen können. Hierbei wird deutlich, dass alle Menschen in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens Transitionen durchlaufen.[1] Es handelt sich also nicht um ein Phänomen, dass nur trans Personen betrifft, auch wenn in engerem Sinne der Begriff als „soziale Transition“ oftmals als Wechsel der Geschlechtsrolle verstanden wird.
An dieser Stelle besteht oftmals die Vorstellung, jede trans Person vollzieht einen Geschlechtsrollenwechsel. Wer insbesondere jungen Kindern zuhört, wie z.B. Nori aus dem Dokumentarfilm „Mädchenseele“ von Anne Scheschonk, und ernst nimmt, kann feststellen, dass dass manche Kinder keine Geschlechtsrolle wechseln. Nori war seit der Geburt an sie selbst – ein Mädchen. Als sich sich wehren konnte, setzte sie alle ihre Energien dazu ein, sich nicht mehr von ihrer Mutter als Junge „verkleiden“ zu lassen. Als ihr Sprache zur Verfügung gestanden hat, verbalisierte sie das auch und ordnete sich selbstverständlich und konsequent den Mädchen zu. Erst als eine Transition im Kopf ihrer Mutter stattgefunden und diese sie verstanden hat, vermochte sie unverkleidet als Mädchen zu leben. Sie selbst hat in ihrem bisherigen Leben keine Transition im Sinne eines Geschlechtsrollenwechsels durchgeführt.
[1] Quelle: Griebel, W. & Niesel, R. (2011). Übergänge verstehen und begleiten. Transitionen in der Bildungslaufbahn von Kindern. Berlin: CornelsenScriptor.
Coming-out versus stealth
Mit dem Begriff →Coming-Out, hier verstanden als Mitteilung von etwas Privatem und Intimem, das eher selten mit Aussenstehenden geteilt wird, verhält es sich ähnlich wie bei dem Begriff Transition: Nicht alle Menschen führen ein Coming-out durch. Um bei dem Beispiel von Nori zu bleiben, sie ist nirgends herausgekommen, da sie immer wusste, dass sie ein Mädchen ist. Als solches hat sie auch gelebt – im Rahmen der Möglichkeiten, die ihre Mutter ihr gelassen hat. In ihren ersten Lebensjahren war sie damit beschäftigt, dieses Wissen um sich selbst insbesondere ihrer Mutter zu vermitteln. Diesen Prozess als Coming-out zu bezeichnen, spiegelt nicht die Auseinandersetzungen und Kämpfe wider, mit denen sie sich auseinandersetzen musste.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass es nicht viele Menschen gibt, die ein Coming-out durchführen (wie auch eine soziale Transition i.S.e. Geschlechtsrollenwechsels). Die Gründe hierfür sind vielschichtig und unterschiedlich. Entscheidend ist, dass ein Coming-out in der Schule von der_m Schüler_in ausgehen und nicht erzwungen werden sollte. Es gibt junge Menschen, die lieber ihr Sein als „ein Geheimnis“ in sich tragen, ohne dies mit anderen (meist ausserhalb der Familie) zu teilen, also →stealth leben möchten, als sich anderen mitzuteilen. Das trifft auch bei jenen zu, die z.B. in vorherigen Schulen durchaus positive Erfahrungen damit gemacht haben. Andere möchten lieber, dass ihr Sosein bekannt ist und sie dadurch nicht unter dem Druck stehen, dass eine andere Person zufälligerweise „etwas mitbekommen“ könnte. Die Gefahr im Coming-out kann darin bestehen, dass die Kenntnis um den Geschlechtseintrag in den Papieren zu Bullying führt, was einige junge Menschen veranlasst, sich nach einem Schulwechsel nicht mehr mitzuteilen, wenn sie mit dem Coming-out schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Wichtig ist die Einscheidung der jungen Menschen zu respektieren, sie zu unterstützen und immer wieder zu schauen, worin ihre Bedürfnisse liegen. Durch eine warmherzige und offene Kommunikation lassen sich Komplexitäten oftmals zeitnah ausräumen.