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DOSSIER inter im Sport

Zusammenfassung: Es gibt Frauen. Den wenigsten Menschen ist dabei ihre hohe Variabilität körperlicher Geschlechtlichkeit bekannt und somit bewusst. Denn es gibt welche mit einem Chromosomensatz 46,XX (die Zahl gibt die Ansatz des gesamten Chromosomensatzes wieder) und welche mit einem Chromosomensatz 46,XY. Auch gibt es Frauen mit 47, XXX und solche mit 47,XXY, auch wenn letztere sehr selten sichtbar sind. Die menschliche Variabilität ist noch größer. Auch gibt es Frauen mit 46,XY, deren Y-Chromosom zu keiner oder allenfalls leichter Vermännlichung führt, wie auch welche, deren erhöhte Testo-Spiegel keinen Einfluss auf ihre Körperlichkeit haben. Unter den Frauen mit einem Chromosomensatz 46,XX weisen im Hochleistungssport über 14% einen erhöhten Testosteron-Spiegel auf, bei 4,7% von ihnen liegt dieser im männlichen Normbereich. Unter den Männern 46,XY weisen 16,5% einen Testosteron-Spiegel unterhalb des typisch männlichen Bereiches (Healy et al., 2014 ). Dies zeigt, dass der Testosteron-Spiegel keine Aussage über die Muskelkraft sowie Leistungsstärke der Athleten in ihren Kategorien hat.
Daher lässt sich weder durch Nachweis eines Y-Chromosoms noch erhöhter Testosteron-Spiegel auf mögliche biologische Wettbewerbsvorteile schließen. Dabei hilft auch nicht der intransparente Hinweis auf einen vermeintlichen sicheren Test des Männlichkeitsnachweises ohne Offenlegung, worum es sich genau handelt, verbunden mit Beschimpfungen und Entwertungen sportlicher Leistungen mancher Frauen.
Benötigt wird keine Spaltung, sondern Wertschätzung aller Frauen in ihrer Vielfalt an sich, ihrer Leistungen im Hochleistungssport im Besonderen. Misogynie und Sexismus sind tief verwurzelte Mechanismen, die sich teils unsichtbar durch alle derzeitigen Gesellschaftsformen und -strukturen ziehen und somit auch den Hochleistungssport durchdringen. Davon sind auch sich als fortschrittlich betrachtende Gesellschaften nicht ausgenommen. (Mehr folgt)

LITERATUR

Intersex Studies: A Systematic Review of International Health Literature (Tiffany Jones, SAGE Open April-June 2018: 1–22, DOI: 10.1177/2158244017745577, 22 p., pdf); wichtige Aspekte aus den Schlussfolgerungen: Um Intersex-Personen sinnvoll in die LGBTI-Arbeit einzubeziehen, sollten direkte Konsultationen mit Intersex-Gruppen und gezielte Rekrutierungen erfolgen, um oberflächliche Einbindungen oder Fehlannahmen zu vermeiden (vgl. Holmes, 1994; Vereinte Nationen, 2012). Diese Einbindung sollte nur dann geschehen, wenn die Ziele übereinstimmen oder Intersex-Belange ausdrücklich priorisiert werden, und wenn ein fundiertes Verständnis für die spezifischen Auswirkungen von Homophobie auf Intersex-Menschen vorhanden ist. Eine Annäherung an die verschiedenen Perspektiven der Gesundheitsversorgung für Intersex-Personen erfordert das aktive Mitwirken politischer Entscheidungstragende, Gesundheits-dienstleistende und weiterer Akteure, um bestehende Spannungen zu lösen und die Versorgung zu verbessern.

Der Zwitter als Freak (Phase 2, Zeitschrift gegen die Realität): Kathrin Zehnder beschreibt die Exotisierung von Intersexuellen und die Konsequenzen von Sex-Tests im Sport am Beispiel von Caster Semenya.

Endocrine profiles in 693 elite athletes in the postcompetition setting (2014, M.L. Healy, et al., https://doi.org/10.1111/cen.12445): Die Hormonprofile von Spitzensportler_innen zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern und zwischen 15 Sportarten, wobei Männer in 19 und Frauen in 11 von 24 gemessenen Hormonwerten signifikant abweichen. Dabei hatten 16,5 % der Männer niedrige und 13,7 % der Frauen hohe Testosteronwerte (4,7% im männlichen „Normnbereich“), mit einer kompletten Überlappung zwischen den Geschlechtern. Die Hormonprofile von Spitzensportler_innen weichen somit von üblichen Referenzbereichen ab, wobei individuelle Ergebnisse durch Alter, Geschlecht und Körperbau beeinflusst werden. Unterschiede zwischen Sportarten deuten darauf hin, dass das individuelle Hormonprofil die Leistung in einer bestimmten Sportart beeinflussen kann. Die Definition der IOC, eine Frau über einen „normalen“ Testosteronspiegel zu definieren, ist daher nicht haltbar. (Anmerkung: spätere Kritik der Studie methodischer Mängel, daher sind auch kritische Stimmen bei der Interpretation zu berücksichtigen.)

Performance, Inclusion and Elite Sports – Athletes with Differences in Sex Development (2022, POSTNOTE, UK Parliament, 7 p., pdf): Diese Studie, die als POSTnote (Parliamentary Office of Science and Technology Note) veröffentlicht wurde, befasst sich mit der Debatte um die Teilnahme von Athletinnen mit Differences in Sex Development (DSD) im Elitesport. Die Hauptaussagen sind:

  • Einige Sportverbände haben Richtlinien eingeführt, die von bestimmten Athletinnen mit DSD verlangen, ihre Testosteronwerte zu senken, um Fairness im Wettbewerb zu gewährleisten.
  • Es gibt nur begrenzte wissenschaftliche Erkenntnisse über den Leistungsvorteil von Athletinnen mit DSD und die Auswirkungen einer Testosteronsuppression auf ihre Leistung.
  • Die vorhandenen Studien zu diesem Thema weisen oft methodische Schwächen auf, haben kleine Stichprobengrößen oder ethische Bedenken.
  • Es gibt unterschiedliche Meinungen unter Interessengruppen:
    • Einige argumentieren, dass es ausreichend Beweise für einen Leistungsvorteil gibt und Testosteronwerte reguliert werden sollten.
    • Andere argumentieren, dass die Beweislage schwach ist und eine Testosteronsuppression keinen möglichen Vorteil ausgleichen würde.
    • Manche sehen DSDs als eine natürliche genetische Variation, die nicht anders behandelt werden sollte als andere genetische Vorteile.
  • Es bestehen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und möglicher Langzeitfolgen einer Testosteronsuppression, insbesondere bei chirurgischen Eingriffen.
  • Die Studie betont die Notwendigkeit, Fairness und Inklusion im Sport gegeneinander abzuwägen.

Insgesamt zeigt die Studie, dass es in diesem Bereich noch viele offene Fragen und kontroverse Diskussionen gibt, die weitere Forschung und ethische Überlegungen erfordern.

PRESSE international

Caster Semenya: „Ich bin eine Frau, ich habe eine Vagina“. Wilder Streit um Olympiasiegerin (2023, ntv.de, sue/dpa)

FACT CHECK: Olympic Boxer Imane Khelif, Participation and Eligibility in the Paris 2024 Olympic Games (2024, Tony Morrison, glaad): Schikanierungen der Boxerin Imane Khelif wegen „Geschlechtstests“

Die algerische Boxerin Imane Khelif hat trotz ihres Einzugs ins Halbfinale der Olympischen Spiele erheblichen Belästigungen ausgesetzt. Sie wurde fälschlicherweise beschuldigt, keine Frau zu sein, was transphobe, interphobe und rassistische Angriffe in den sozialen Medien auslöste. Hochrangige Kritiker_innen wie JK Rowling und Donald Trump beteiligten sich an der Verbreitung von Fehlinformationen.

Khelif, die bereits 2021 in Tokio antrat, wurde früher von der International Boxing Association (IBA) wegen eines nicht spezifizierten Geschlechtstests disqualifiziert. Diese „plötzliche und willkürliche“ Entscheidung wurde vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) kritisiert, und die IBA verlor mittlerweile ihren Status als internationale Boxverband. Gerüchte, sie sei trans, wurden widerlegt, doch die Vorwürfe sind schädlich für alle betroffenen Frauen.

Der Fall zeigt die problematische Geschichte von Geschlechtstests im Sport, die diskriminierend, invasiv und erniedrigend sind. Frauen mit Variationen der Geschlechtsmerkmale und Frauen mit hohem Testosteronwerten sind besonders betroffen. Studien widerlegen den behaupteten „biologischen Vorteil“ solcher Frauen, und Verbote diskriminieren häufig Frauen of Color. Khelif appellierte an die Welt, Mobbing im Sport zu beenden, da es immense negative Folgen habe. Ihre Teilnahme und ihr Einsatz stehen für Gleichberechtigung und den Schutz von Frauen im Sport.

Gerichtshof gibt Semenya im Testosteron-Streit recht. Diskriminierung nachgewiesen (2023, ntv.de, ara/dpa)

Zu „männlich“ für den Frauensport? (2024, Tagesschau)